Kontexte

Malen

Der bildenden Künstlerin eigen ist die permanente Vergegenwärtigung dessen, was sie gerade getan hat. Ihr Malen ist im wahrsten Sinne des Wortes für sie augenblicklich, und sie sieht oder weiß die Spuren des gesamten bisherigen Tuns vor sich. Sie kann Abstand nehmen vom Papier, die Leinwand aus verschiedenen Perspektiven betrachten, ergänzen, verwischen, zerschneiden, spielen; sie ist gleichzeitig Autorin, Darstellerin, Choreografin, Rezipientin.

Aus der Verbindung dieses Enstehenlassens und Erfahrenkönnens ergibt sich ein unermesslich schöner Vorzug: Die Malerin bekommt eine sichtbare Auskunft darüber, wie ihr gerade die Übertragung des Impulses durch den Körper ins Objekt vor ihr gelingt. Manchmal folgt sie Form und Farbe ihrer inneren Welt, manchmal entwickelt sie sich bloß in eine Ahnung hinein, tastend in einem Wechselspiel von innen nach außen oder über´s Äußere in´s Innere. Doch, was immer sie tut: Es gelingt dann am ehesten, wenn sie Klarheit besitzt. Klarheit nicht über ein Insgesamtes oder den Prozess, aber über die eigene Gegenwart, über die eigene Wahrnehmung. Klarheit nicht über ein Ziel, aber Klarheit im Zielen; dem Zielen des Körpers als Mittel zwischen Impuls und Leinwand. Je feiner dabei ihre Wahrnehmung ausgebildet ist, desto zuverlässiger wird sie Ahnungen und Ideen verfolgen können, desto lebendiger werden ihr Empfinden, ihre inneren Räume, und desto präziser wird sie ihr technisches Handwerk dazu nutzen können, ihre Vorstellung in die Handlung zu übertragen.